„Ich will kein Täter werden!“   

Schauspieler Reinhard Gesse beeindruckt im Ein-Personen-Stück zum Thema Pädophilie

Bericht vom 2. August 2016

Reinhard Gesse in (K)ein Anderer

Reinhard Gesse

„Warum? Warum? Warum ist das Böse in mir?“ Es ist der verzweifelte Aufschrei eines pädophil veranlagten Menschen, der auf keinen Fall zum Täter werden will. Sein Leben zwischen Lust und Angst zwischen Verlangen und Verantwortung reißt ihn auseinander. „Ich bin kein Monster“, schreit er ins Publikum. Eindrucksvoll spielt der Schauspieler Reinhard Gesse diesen Mann, dessen unterdrückte Gefühle Scham, Angst, Verzweiflung und Ohnmacht hervorrufen. „(K)ein Anderer“, so lautet der Titel des Ein-Personen-Stücks, zu dem der Kunst+Kultur-Kreis Damme am Freitagabend in die Scheune Leiber eingeladen hatte. Das Stück wurde von der Theaterpädagogischen Werkstatt, Osnabrück als Auftragsproduktion für den Fachtag „Wegsperren – und zwar für immer“ entwickelt. „Bei pädophil veranlagten Menschen liegt eine psychische Störung vor“, erklärt Reinhard Gesse in der nachfolgenden Diskussionsrunde. Für diese Neigung könne der Betroffene nichts, aber für sein Handeln sei er verantwortlich. Pädophile Menschen würden sich nach Liebe und Zärtlichkeit sehnen, die aber unerfüllt bleiben muss. Im Gegensatz dazu gehe es bei sexuellem Kindesmissbrauch um Machtausübung, erklärt der Schauspieler dem interessierten Publikum weiter.

Die innere Zerrissenheit des Betroffenen zeigt Reinhard Gesse ausdrucksstark in seinem Spiel. Nur wenige Requisiten und einige Musiksequenzen genügen ihm zur Unterstützung. Sein Ausdrucksmittel sind die Mimik, die Stimme und die Gestik. In der Rolle des Betroffenen erzählt Reinhard Gesse mal ruhig, mal verzweifelt aufschreiend, über seine ganz normale Kindheit, über seinen Kampf als Jugendlicher gegen die unverstandenen Gefühle und seinem Leben zwischen gesellschaftlichem Tabu, seiner Sehnsucht nach Liebe und dem Wunsch nach Akzeptanz. „Wegschließen für immer“, „Todesstrafe für Kinderschänder“ sind schnell dahingesagte Forderungen in der Gesellschaft. Ein Dilemma für die Betroffenen, denn sie können sich niemanden anvertrauen. „Ich bin ein Verstellungskünstler. Ich habe es niemandem gesagt. Das Leben ist nur Schweigen und Qual“, so der verzweifelte Monolog des Betroffenen. Körperliche Beschwerden, Depressionen, Selbstmordgedanken sind die Folgen des Martyriums aus Versteckspielen und dem ständigen Kampf gegen die Gefühle. „Ich möchte es aussprechen dürfen ohne als Monster dazustehen“, fleht er. Dem Publikum in Damme gibt er die Bitte mit auf den Weg: „Hey, lasst mich nicht allein“. (Bkm)

Foto: klika